Viele Wege zum Traumberuf
27 Jahre, in Worten „Siebenundzwanzig“ habe ich als Offsetdrucker meinen „Mann“ in ein und derselben Firma gestanden, in der ich schon seit der Lehre gearbeitet habe. „27 Jahre, was soll mir noch passieren, auch wenn es nicht unbedingt mein Traumjob ist. Aber was soll’s, die Zeit bis zur Rente kriege ich auch noch rum und so schlecht bezahlt werde ich ja auch nicht“, so dachte ich zumindest damals. Privat hatte ich geheiratet und war zweifacher Vater geworden. Bei meinem dritten Kind haben meine Frau und ich uns entschlossen, die Rollen zu tauschen. Also bin ich 14 Monate in den „Erziehungsurlaub“ gegangen. Das war 2008. Als diese (schöne und wertvolle) Zeit mit meinem Jüngsten, dem Haushalt und der Organisation desselben ein Ende nahm, musste ich natürlich zurück in das Arbeitsleben. Jedoch war nichts mehr wie es vorher war.
Ich musste in eine andere Abteilung, sollte Hilfsarbeitertätigkeiten übernehmen und bekam andere Schikanen zu spüren. Ein Schelm wer Böses dabei denkt! Letztendlich nahm alles seinen Lauf, ich wendete mich an eine Rechtsanwältin, mir wurde fristlos gekündigt, Arbeitsgericht, Rücknahme der fristlosen Kündigung, Freistellung von der Arbeit und Abfindung, aber dann…. arbeitslos in einem Job, dessen Markt mit arbeitsuchenden Druckern überfüllt ist und ich bin auch schon 45 Jahre alt. So entschloss ich mich, diese Chance beim Schopf zu ergreifen und beruflich einen ganz anderen Weg zu gehen, einen Weg der mich letztendlich glücklich machen sollte. Die Arbeitsagentur zeigte mir verschiedene Möglichkeiten einer beruflichen Rehabilitation, sprich Umschulung auf, und darunter war der Weg zum Erzieher. Was tun? Was ist die richtige Entscheidung? So eine Möglichkeit kommt nie mehr!
Ich war im Kindergarten meiner Kinder unterstützend tätig, engagiere mich bei „Main-Kinder-Kram“, einer Hilfsorganisation zugunsten benachteiligter Kinder in Rüsselsheim und hatte schon in Sportvereinen mit Kindern gearbeitet. Jedoch auch Zahlen, Finanzen, Statistiken liegen mir.
Erzieher oder Steuerfachgehilfe, Herz oder Vernunft, das war hier die Frage. Das Herz siegte!
Bildungsgutschein, psychologischer Eignungstest, Bewerbungen an Fachschulen, Bewerbungsgespräch an der AES-Darmstadt, Zusage, Einschulung an der Alice-Eleonoren-Schule in Darmstadt, (wie lustig mit 45 Jahren am selben Tag wie meine Tochter Hannah in der Grundschule). Das alles passierte 2010.
Dann kam eine unglaublich intensive Zeit, zwei Jahre fachtheoretische Ausbildung in der Unterstufe, dann Oberstufe und zuletzt das Anerkennungsjahr (mit berufsbegleitendem Unterricht). Das alles mit tollen und äußerst hilfsbereiten Lehrern, praxisnahem und theoretischem Input, der aber immer in die Tiefe ging, lehrreichen Praktika, spannenden Projekten, Ausflügen, Teambuildingmaßnahmen, 4 Tage Erlebnispädagogik im Allgäu, Referate, Klausuren, Examen, Kolloquium, viel Spaß und letztendlich mit das Wichtigste, Selbstreflexionen.
Ich genoss diese Zeit, auch durch unsere altersgemischten Klasse von 19-50 Jahren. Da lernten die Jungen von und mit den älteren Semestern und umgekehrt mindestens genauso. Aber irgendwann ging auch diese schöne Zeit zu Ende und jetzt arbeite ich in einem tollen Beruf, der auch anstrengend, aber immer hochinteressant, abwechslungsreich, spannend und auch ein großes Stück weit selbstverwirklichend ist.
So kann ich den Sport, der mich ein Leben lang begleitete, im Sportkindergarten der Turngemeine Rüsselsheim, meinem Arbeitgeber, zusammen mit den Kiddies praktisch ausleben.
Dieser „Break“ in meinem Leben war das Beste was mir passieren konnte und so habe ich mir noch weitere Ziele gesetzt, die ich im pädagogischen Bereich erreichen möchte.
Die Alice-Eleonoren-Schule in Darmstadt hat mir dazu eine sehr gute Basis auf meinen weiteren Weg mitgegeben und ich fand mich hervorragend vorbereitet, als ich in das vollverantwortliche Berufsleben des Erziehers eingetaucht bin!
Frank Gehrke (Erzieher aus Leidenschaft), Rüsselsheim im Juni 2014
Anfang Februar. Ich stecke mitten im Studium, „Fremdenverkehrswirtschaft und Tourismus“, 4.Semester. Was soll ich denn sonst machen, um in meinem ausgelernten Beruf „Hotelfachfrau“ weiterzukommen! Es sei denn, ich möchte mein weiteres Leben als „Tellertaxi“ im Restaurant eines Hotels arbeiten und die ständigen Schicht-, Feiertags- und Wochenenddienste meiner 6 jährigen Tochter zumuten. Nebenbei jobbe ich in einer Bäckerei als Verkäuferin im Edeka. Eine „Neue“ fängt bei Edeka an der Kasse an, sehr sympathisch. Wir kommen ins Gespräch. Sie erzählt mir, dass sie ihre Ausbildung zur Erzieherin macht, an der Alice- Eleonorenschule. Interessiert spitze ich meine Ohren, denn das war seit Schulbeendigung mein Traumberuf. Zweimal hatte ich zuvor versucht mich als Erzieherin zu bewerben. Vergeblich! Äußere Umstände hielten mich ständig von meinem Traum ab.
Nun bin ich 30 Jahre und alleinerziehende Mutter. Mit einer Vollzeitausbildung ohne Entgelt kann ich unseren Lebensunterhalt nicht abdecken. Dieses Leid klage ich auch der Neuen. Sie erzählt mir, dass man seit kurzem an dieser Schule „Erzieherin in Teilzeit“ absolvieren könnte, dass heißt nebenher könnte man für sein Lebensunterhalt jobben. Viele Gedanken gehen mir durch meinen Kopf. Würde es wirklich noch eine dritte Chance für mich geben? Soll ich noch mal komplett von vorne anfangen? In meinem Alter nochmal eine Ausbildung? Als Alleinerziehende? Am nächsten Tag rufe ich in der Schule an. Ich bewerbe mich an der Alice- Eleonorenschule und es hat geklappt. Ein neuer, intensiver und bedeutender Lebensabschnitt beginnt.
Für 3 Jahre findet montags bis mittwochs von 8 bis 13.30 Uhr der theoretische Teil in der Schule statt. Donnerstags und freitags arbeite ich für je 8 Stunden in einem Kindergarten. Ein Teil der Schulferienferien absolviere ich den Praxisteil in Form von Praktika. Alle Praktikumseinrichtungen in den Ferien bieten mir an, dass ich meine Tochter mitnehmen darf. Mein Anerkennungsjahr absolviere ich innerhalb eines Jahres in Vollzeit, denn es gibt ein lohnendes Entgelt.
Diese wahre Geschichte ist 4 Jahre her. Heute bin ich leidenschaftliche Erzieherin in einer neu eröffneten Krippe, verheiratet und meine Tochter wird schon 11 Jahre. Ich bereue keinen Moment meine Entscheidung, einen Neustart gewagt zu haben. Ich habe die staatliche Anerkennung, jedoch für mich bei weitem noch nicht ausgelernt. Ich habe entdeckt, in wie vielen weiteren Richtungen man sich mit diesem Beruf weiterbilden kann. Diesen Sommer beginne ich nebenher eine Fortbildung namens „Marte- Meo“. Und das vertrauenswürdige für mich ist, dass es an der Alice-Eleonorenschule bei meiner ehemaligen Klassenlehrerin stattfinden wird.
Nancy Mehlitz (Erzieherin)