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Woher kommt der Name „Alice-Eleonoren-Schule“?

Alice – Eleonore, kein Doppelname, sondern die Namen zweier Darmstädter Großherzoginnen, deren Wirken uns noch heute beeindrucken kann.
Alice (Bild links) gründete 1875 eine Berufsfachschule für Mädchen, die Alice- Schule.

Der Name ihrer Schwiegertochter Eleonore wurde 1917 hinzugefügt.


Bildungssituation der Mädchen und Frauen im 19. Jahrhundert

In einer Zeit, in der Frauen, um finanziell abgesichert zu sein, i.d.R. entweder heiraten oder sich der Kirche verpflichten mussten, forderte Luise Büchner, dass Frauen eine qualifizierte Berufsausbildung erhalten.

Mitte des 19. Jahrhunderts arbeiteten arme Frauen z.B. als Wäscherinnen oder Dienstmädchen ohne Ausbildung und für geringen Lohn. Auch viele bürgerliche Frauen waren berufstätig, z.B. als Gouvernanten, Lehrerinnen in privaten Mädchenschulen oder auch als Händlerinnen. Die Schulzeit endete für Frauen i.d.R. bereits nach 5 oder 6 Jahren. Wissen und Können, das Frauen für eine Berufstätigkeit benötigten, mussten sie sich autodidaktisch aneignen. Eine akademische, kauf-„männische“ oder handwerkliche Ausbildung war für sie nicht vorgesehen.

Alice, Großherzogin von Hessen und bei Rhein

Großherzogin Alice von Hessen und bei Rhein (Bild rechts) war die Tochter der Queen Victoria von Großbritannien und von Albert von Sachsen-Coburg-Gotha.

Sie wurde 1843 in London geboren und starb im Jahr 1878 mit nur 35 Jahren in Darmstadt.

Alice erkannte die Bedeutung einer qualifizierten und konfessions- unabhängigen Berufsausbildung für junge Frauen.

Daher gründete sie gemeinsam mit Frauen der Bürgerschaft die „Alice-Vereine“ und 1875 auch die Alice-Schule. Die Leitung und die praktische Arbeit in den Vereinen lagen in den Händen bürgerlicher Frauen.
Wilhelmine Strecker leitete den Alice-Verein für Krankenpflege und Luise Büchner den Alice-Verein für Frauenbildung und Erwerb.

Luise Büchner

Luise Büchner entstammte einer angesehenen Darmstädter Arztfamilie. Sie galt als überaus wissbegierig. Da für Mädchen der Schulbesuch bereits nach wenigen Jahren endete, musste auch sie sich ihr Wissen größtenteils autodidaktisch erwerben. Dies tat sie außerordentlich erfolgreich. So schrieb sie z.B. selbst Artikel und Bücher. Schon ihr erstes Buch: „Die Frauen und ihr Beruf“ wurde sehr erfolgreich.

Als Vize-Präsidentin des „Alice-Vereins für Frauenbildung und Erwerb“ (ursprünglich „Verein zur Förderung der weiblichen Industrie) engagierte sie sich inhaltlich und organisatorisch für die Aktivitäten und Projekte des Vereins.

Beeindruckend ist, mit welcher Konsequenz und Beharrlichkeit sie die Ausbildung der Frauen weiterentwickelte und damit deren Situation kontinuierlich verbesserte:
Um eine Qualitätssteigerung der Handarbeiten und damit einhergehend eine weitere Lohnsteigerung zu ermöglichen, forderte sie die Einführung eines systematischen Handarbeitsunterrichtes als Pflichtfach für die allgemeinbildende Schule.

Mit Hilfe von Großherzogin Alice initiierte Luise Büchner an der vorhandenen Gewerbeschule Kurse für junge Mädchen.

Hier wurden die jungen Frauen zusätzlich zur Handarbeitsausbildung, im Schreiben, Lesen, Rechnen und Zeichnen unterrichtet. Auch die Teilnahme für die Frauen an Kursen für Buchführung und damit das Erwerben „kaufmännischer“ Kenntnisse wurde durch das Engagement Luise Büchners möglich.

Gründung der Alice-Schule durch Großherzogin Alice und Luise Büchner

1875 wurde die Alice-Schule gegründet. Hier sollten zunächst Handarbeitslehrerinnen ausgebildet werden. Mit Schneiderei und Handarbeiten konnten Frauen auch nach einer Heirat Geld verdienen. Die Berufe Näherin und Schneiderin gehörten ab den 1890er Jahren bis in die 1950-er zu den häufigsten und beliebtesten Berufen von Frauen. Der Beruf bestand nicht nur aus Handarbeit, sondern erforderte auch Kreativität beim Design uvm..Viele Familien erkannten die Wichtigkeit der Ausbildung und nahmen das Angebot gerne an.

Luise Büchner schreibt dazu:

„Sehr erfreulich ist die ehrenwerte Gesinnung, welche die Eltern der Schülerinnen öfter an den Tag legen, indem sie ihren Dank dafür aussprechen, dass ihren Töchtern hier eine Gelegenheit zu zweckmäßiger Weiterbildung angeboten werde und wie sie gern Opfer brächten, damit sie einmal auf eigenen Füßen stehen können und nicht den ersten besten Mann zu nehmen bräuchten.“ I

1877 verstarb Luise Büchner im Alter von 56 Jahren. Großherzogin Alice verstarb ein Jahr später mit nur 35 Jahren an Diphterie. Die Präsidentschaft der Alice Vereine übernahm zunächst Alices älteste Tochter Viktoria.

Alice-Eleonoren-Schule – 1917 bis 1934

Unter Eleonores Protektorat wurde 1917 ein „Kindergärtnerinnenseminar“ gegründet und einige Jahre später die Kinderpflegerinnenschule.

Die Alice-Schule erhielt ihren heutigen Namen und hieß nun: „Alice-Eleonoren-Schule“.


Im Jahr 1924 wurde die Alice-Eleonoren-Schule bereits von 130 – 140 Seminaristinnen und 600-700 Fachschülerinnen besucht. II
1934 wurden die Alice-Vereine – wie fast alle bürgerlichen Vereine – durch die Nationalsozialisten aufgelöst. Die Alice-Eleonoren-Schule wurde aufgeteilt auf die Eleonoren-Schule und die Städtische Haushaltsschule. III

Großherzogin Eleonore schrieb hierzu:

„Eine wertvolle Gründung der Großherzogin Alice ist mit dem Jahre 1934 zu Ende gegangen. Es ist mir ein Bedürfnis, diesem Werk gerecht zu werden und die Erinnerung an es bei all denen wach zu halten, die die Alice-Eleonoren-Schule geschätzt haben. Viele hessische Frauen und Mütter haben hier den Grundstock gelegt für die Bestellung ihres eigenen Heimes. Viele technische Lehrer wurden hier ausgebildet, um zerstreut im Hessenland ihr Wissen an den Schulen an ihre Töchter weiterzugeben; ferner fanden Hortnerinnen, Kindergärtnerinnen und Kinderpflegerinnen für die Familie eine gründliche sachgemäße Ausbildung.“ IV

Alice-Eleonoren- Schule – 1947 bis heute

Im Jahre 1947 wurde die Alice-Eleonoren-Schule (schon damals an mehreren Standorten) wiedereröffnet und die Vielfalt der Ausbildungsmöglichkeiten wurde nach und nach ausgeweitet. Längst besuchen auch Männer die Schule.

Die Anzahl der Schüler*innen ist auf ca. 1150 angewachsen.

Auch heute noch werden Maßschneider*innen ausgebildet. Weitere Ausbildungen werden in den Bereichen Körperpflege (Friseur*in) und Ernährung (Fachpraktiker*in) angeboten.

Ein großer Schwerpunkt der Schule liegt im Bereich Sozialwesen mit der Sozialassistent*innen-Ausbildung, der Erzieher*innen- und Heilerziehungspflegeausbildung, sowie der Fachoberschule Sozialwesen.

Doch schon in der Berufsvorbereitung, die zum Hauptschulabschluss führt und in der darauf aufbauenden 2-jährigen Berufsfachschule (Mittlerer Bildungsabschluss) sind diese beruflichen Schwerpunkte vertreten. Dazu kommen medizinisch-technische und pflegerische Schwerpunkte.

Neben der beruflichen Qualifikation können an der Alice-Eleonoren-Schule alle Abschlüsse vom Hauptschulabschluss bis zur Fachhochschulreife erworben werden.Handlungsleitendes Prinzip der Schule war und ist es, Menschen, unabhängig von Geschlecht, Herkunft und Konfession, die Möglichkeit zu umfassender Bildung, Professionalisierung und Weiterentwicklung und damit zu einem selbstbestimmten und sinnerfüllten Leben zu geben.

Luise Büchner formulierte wie folgt:

„Vereint mit Männern sehen wir die Frauen wirken und arbeiten, denn nur eine Vereinigung beider Geschlechter zum besten Zwecke wird im Stande sein, die sozialen Fragen zu lösen, und allen jenen Forderungen gerecht zu werden, welche die Menschheit mit Recht an die Menschheit stellt. Die größte und wichtigste Frage aber, (…), das ist die der Erziehung, der Schule! Was diese Beiden jetzt, im Hause, wie in den öffentlichen Anstalten, aus der deutschen Nation machen, das wird sie einst sein.“V

Für uns ist es heute eine Selbstverständlichkeit, dass Frauen ebenso wie Männer ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können. Hierfür haben sich die oben beschriebenen Frauen vor mehr als 150 Jahren mit Mut, Beharrlichkeit und Energie eingesetzt.

Auch heute noch ist es ein gesellschaftlicher Auftrag, ein soziales und sich positiv entwickelndes Miteinander aller zu gewährleisten und umfassende Bildungsprozesse zu ermöglichen.
Als Lehrende und Lernende der Alice-Eleonoren-Schule stehen wir in dieser geistigen Tradition, die zukunftsweisend war und ist.

Wir danken Frau Agnes Schmidt von der Luise Büchner-Gesellschaft herzlich für ihre Beratung bei der Verfassung des Artikels.

Nähere Informationen zur Luise Büchner Gesellschaft finden Sie unter Luise Büchner Gesellschaft

Textquellen:

I Schmidt, Agnes: Die Alice-Vereine im Großherzogtum Hessen-Darmstadt 1867-1918, Darmstadt 2017, S. 8; zitiert aus: „Gebildet, ohne gelehrt zu sein. Essays, Berichte, Briefe von Luise Büchner. Hrsg. Margarete Dierks. Darmstadt 1991 (Darmstädter Schriften 60) S.185 f.)

II vgl. Schmidt, Agnes: Die Alice-Vereine im Großherzogtum Hessen-Darmstadt 1867-1918, Darmstadt 2017, S. 106

III vgl. Alice-Eleonoren-Schule Darmstadt. Hundertjähriges Bestehen 100 Jahre 1876 – 1967, S. 41 ff.

IV (Scharpf, Cordelia: Die Alice-Vereine in Darmstadt. In: Schmidt, Agnes (Hrsg): Die Alice-Vereine im Großherzogtum Hessen-Darmstadt 1867-1918, Darmstadt 2017; zitiert aus „Alice-Eleonoren-Schule Darmstadt. Hundertjähriges Bestehen 100 Jahre 1876 – 1967, S. 37)

V Scharpf, Cordelia: Die Alice-Vereine in Darmstadt. In: Schmidt, Agnes (Hrsg): Die Alice-Vereine im Großherzogtum Hessen-Darmstadt 1867-1918, Darmstadt 2017, S. 33. Zitiert aus: Büchner, Luise: Deutsche Geschichte von 1815 bis 1870, Leipzig 1875, S. 626 – 627

Bildquelle 1: Mit freundlicher Genehmigung des Stadtarchives Darmstadt, haus-der-geschichte
Bildquelle 2: Mit freundlicher Genehmigung der Luise Büchner Gesellschaft